Von Gesetzes wegen: barrierefreie, digitale Kommunikation
Die digitalen Anforderungen steigen kontinuierlich – und ab Juni 2025 wird Barrierefreiheit in der digitalen Kommunikation Pflicht für alle Unternehmen. Ob Großkonzern, Familienunternehmen oder Einzelunternehmen, das neue Gesetz betrifft jeden, der online kommuniziert. Doch was bedeutet das genau, welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, und was passiert, wenn man sich nicht daranhält?
Dieser Artikel gibt einen detaillierten Überblick über die neuen Vorschriften und zeigt, wie Sie sich optimal darauf vorbereiten können.
Was bedeutet Barrierefreiheit in der Kommunikation?
Barrierefreiheit zielt darauf ab, digitale Informationen so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Das betrifft Websites, Social Media und andere digitalen Formate. Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Menschen mit Seh-, Hör- oder motorischen Einschränkungen keine Barrieren beim Zugang zu Informationen haben.
Wen betrifft das Gesetz?
Ganz klar: alle Unternehmen – unabhängig von Größe oder Branche. Für Familienunternehmen, die oft stark auf Tradition und persönliche Kommunikation setzen, bedeutet dies, sich stärker auf die digitale Kommunikation zu konzentrieren. Doch auch kleine Einzelunternehmer, die vielleicht eine einfache Website oder Social-Media-Präsenz betreiben, müssen sich mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Zumindest unter bestimmten Bedingungen – denn unter 10 Mitarbeitenden und 2 Millionen Euro Umsatz hängt die Pflicht zum Beispiel davon ab, ob ich als Leistungserbringer eingestuft werde oder nicht.
Die neue Verordnung betrifft:
- Websites – jede Website muss so gestaltet sein, dass sie barrierefrei ist. Das bedeutet, dass Nutzer mit Screenreadern navigieren können, Farben kontrastreich sind und alle Inhalte strukturiert und verständlich präsentiert werden. Stichwort: leichte Sprache.
- Social Media – auch hier gilt: Bilder müssen mit alternativen Texten versehen sein, Videos brauchen Untertitel und Beiträge müssen so verfasst sein, dass sie für alle verständlich sind.
- Dokumente – Whitepapers, Broschüren und digitale Berichte müssen in Formaten verfügbar sein, die leicht lesbar – u.a. für Screenreader - und zugänglich sind.
Was passiert, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird?
Wer bis Juni 2025 die neuen Vorschriften zur Barrierefreiheit nicht umsetzt, riskiert rechtliche Konsequenzen. Es können Bußgelder verhängt werden, und Unternehmen könnten gezwungen werden, ihre digitalen Angebote nachzubessern.
Doch die gute Nachricht: Noch gibt es eine Übergangsfrist. Unternehmen haben bis Mitte 2025 Zeit, ihre Kommunikationskanäle barrierefrei zu gestalten. Diese Frist sollte jedoch nicht als Grund zum Aufschieben genutzt werden, da die Umsetzung Zeit und oft auch technisches Know-how erfordert.
Die 5 wichtigsten Punkte für barrierefreie Kommunikation
- Einfacher Zugang zu Informationen
Ihre Inhalte sollten leicht zugänglich und strukturiert sein. Verwenden Sie klare Überschriften und Absätze, um eine logische Struktur zu schaffen. Vermeiden Sie Fachjargon und setzen Sie auf eine einfache Sprache, die für jeden verständlich ist. - Alt-Texte und Untertitel verwenden
Visuelle und auditive Inhalte wie Bilder und Videos müssen für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen verständlich sein. Dazu gehören alternative Texte für Bilder und Untertitel für Videos. Dies ist nicht nur eine Frage der Inklusion, sondern auch eine gesetzliche Vorgabe. - Kontraste und Farben beachten
Achten Sie bei der Gestaltung Ihrer digitalen Inhalte darauf, dass der Kontrast zwischen Text und Hintergrund stark genug ist, um Lesbarkeit zu gewährleisten. Für viele Nutzer mit Sehschwächen sind schwache Kontraste eine Hürde. - Mobiloptimierung nicht vergessen
Barrierefreiheit endet nicht am Desktop. Ihre Website und andere digitale Inhalte müssen auch auf mobilen Geräten einwandfrei funktionieren. Achten Sie auf responsive Designs, die sich automatisch an die Bildschirmgröße anpassen. - Klare und einfache Sprache verwenden
Eine barrierefreie Kommunikation bedeutet, dass Ihre Texte klar und verständlich sind. Vermeiden Sie komplexe Satzstrukturen und Fachsprache. Nutzen Sie stattdessen eine einfache und prägnante Ausdrucksweise.
Konkret heißt das beispielsweise:
- Fettung von Texten in LinkedIn-Beiträgen über Sonderzeichen:
Einige Nutzer verwenden aktuell externe Tools oder Sonderzeichen (wie Unicode-Zeichen) für die Fettschrift in LinkedIn-Beiträgen, um ihre Inhalte hervorzuheben. Diese Praxis führt jedoch dazu, dass Screenreader den Text nicht korrekt lesen können. Zukünftig wird dies als barrierefreiheitskritisch betrachtet, da die Inhalte für blinde oder sehbehinderte Nutzer nicht zugänglich sind. Quelle: W3C Accessibility Guidelines (unter "Text Alternatives" und "Non-text Content"). - Nicht durchsuchbare PDFs:
PDFs, die nur als Bild gespeichert werden oder keine strukturierte Textauszeichnung haben, sind für Menschen mit Sehbehinderungen und diejenigen, die Screenreader nutzen, nicht zugänglich. Solche PDFs lassen sich nicht durchsuchen oder vorlesen. Zukünftig müssen PDFs barrierefrei gestaltet werden, indem sie durchsuchbar und mit korrekten Tags versehen sind. Quelle: EU-Richtlinie über barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen und PDF/UA (Universal Accessibility) Standard. - Niedriger Farbkontrast auf Websites und in Social Media Posts:
Texte, die nicht genügend Kontrast zum Hintergrund haben, werden als schwer lesbar für Menschen mit Sehschwächen betrachtet. Ein typisches Beispiel wären weiße Texte auf hellgrauem Hintergrund oder farbige Texte ohne ausreichenden Kontrast. Ein ausreichender Kontrast wird gemäß den Richtlinien mit einem Verhältnis von mindestens 4.5:1 für normalen Text vorgeschrieben. Quelle: WCAG 2.1 Kontrastanforderungen. - Formulare ohne klare Fehlermeldungen:
Formulare, die keine eindeutigen und zugänglichen Fehlermeldungen anzeigen, wenn ein Nutzer einen Fehler macht (z.B. beim Ausfüllen einer E-Mail-Adresse), sind nicht barrierefrei. Fehlermeldungen müssen deutlich sichtbar und für Screenreader lesbar sein. Momentan gibt es oft kryptische Meldungen oder keine visuelle Hilfestellung. Quelle: W3C Success Criterion 3.3.1. - Fehlende Alt-Texte bei Bildern in Social Media:
Das Hochladen von Bildern in sozialen Netzwerken ohne die Bereitstellung von alternativen Texten (Alt-Texte) ist ein häufiges Problem. Menschen mit Sehbehinderungen können die Informationen auf Bildern nicht erfassen, wenn diese keine Alt-Texte enthalten. Dies wird in Zukunft strikt geregelt, um sicherzustellen, dass Bilder auch für diese Nutzer zugänglich sind. Quelle: W3C Accessibility Guidelines (unter "Images").
Chancen für Familienunternehmen
Auch wenn das Gesetz für alle Unternehmen gilt, haben Familienunternehmen die Chance, sich frühzeitig zu positionieren und durch Barrierefreiheit neue Zielgruppen zu erschließen. Hier sind drei Schritte, die Familienunternehmen jetzt gehen sollten:
- Audit durchführen: Führen Sie eine umfassende Bestandsaufnahme Ihrer digitalen Kommunikation durch. Welche Ihrer Websites, Social-Media-Profile und Dokumente entsprechen bereits den neuen Anforderungen? Wo bestehen Lücken?
- Mitarbeiter schulen: Sensibilisieren Sie Ihre Teams für die Bedeutung der Barrierefreiheit. Bieten Sie Schulungen und Weiterbildungen an, um die Kompetenzen im Bereich barrierefreie Kommunikation zu erweitern.
- Strategisch planen: Nutzen Sie die Übergangsfrist, um schrittweise alle Kanäle anzupassen. Setzen Sie sich realistische Ziele und einen Zeitplan, um bis 2025 vollständig barrierefrei zu sein.
Fazit
Das neue Barrierefreiheitsgesetz bietet allen Unternehmen, insbesondere Familienunternehmen, eine echte Chance, sich zukunftssicher aufzustellen. Es geht nicht nur darum, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch darum, Verantwortung zu übernehmen und Inklusion in den Mittelpunkt der digitalen Kommunikation zu stellen. Somit stärke ich in demselben Zug die Arbeitgeberattraktivität, indem ich eine breitere Zielgruppe erreiche. Veränderungen dieser Art sind wichtig und bringen uns voran - ob es das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist oder andere wegweisenden digitalen Veränderungen. Die Übergangsfrist bis 2025 gibt Ihnen den nötigen Spielraum, doch es lohnt sich, frühzeitig zu handeln.
Weiterführende Quellen
Adobe: Grundlagen der PDF-Barrierefreiheit
https://helpx.adobe.com/de/acrobat/using/create-verify-pdf-accessibility.html
W3C: Richtlinien für barrierefreie PDF-Dokumente
https://www.w3.org/WAI/WCAG21/quickref/?versions=2.0#non-text-content
Adobe: PDF-Lesereihenfolge bearbeiten
https://helpx.adobe.com/de/acrobat/using/editing-reading-order-pdfs-accessibility.html
Adobe: Text in gescannten Dokumenten erkennen (OCR)
https://helpx.adobe.com/de/acrobat/using/scan-documents-pdf.html
TPGI: Colour Contrast Analyzer Tool
https://www.tpgi.com/color-contrast-checker/
WCAG 2.1 Kontrastanforderungen (W3C)
https://www.w3.org/TR/WCAG21/#contrast-minimum
Adobe: Vollständige Barrierefreiheitsprüfung
https://helpx.adobe.com/de/acrobat/using/create-verify-pdf-accessibility.html
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